Zugunruhe; Karin Rosenberg

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Fotodokumentation

Ort

Berlin-Lichtenberg, Heinrich-Dathe-Promenade, 10319 Berlin in Google Maps anzeigen lassen

Künstlerin, Künstler

Karin Rosenberg

Technische Angaben

Werktechnik, Material


Maße

27 Schilder je: Höhe 63 cm, Breite 42 cm

Dathe-Pavillon: H 2,80 m , B 4,30 m, T 2,20 m

Gesamtlänge der Heinrich-Dathe-Promenade: ca. 750 m Länge


Kurzbeschreibung

27 Straßenschilder wurden an 27 vorhandene Laternenmasten angebracht: vorderseitg Motive von Zugvögeln, rückseitig wissenschaftliche Texte aus der Verhaltensforschung über Zugvögel. Der gesamte Promenadenverlauf wird durch die Schilder markiert.

Dathe-Pavillon: handelsübliche Raumeinheit aufgestellt im Promenadenverlauf. Ausstattung als Ausstellungseinheit mit Auslagenbrett, Regalen, Wandflächen. Drei Glasfronten zur Einsicht, nächtliche Innenbeleuchtung ist mit Straßenbeleuchtung gleichgeschaltet. Bespielung des Raumkörpers in zweimal jährlichen Wechselausstellungen durch die Fördergemeinschaft von Tierpark und Zoo Berlin.

Zeitangabe

Konzeption 2007, Realisierung 2008

Inhaltliche Beschreibung

„... Unter dem Motto 'Märkische Heimat' wurde dort (Dathepromenade) Anfang der 1980er Jahre ein Kunstprogramm realisiert, Skulpturen und Brunnen aufgestellt. Den Brunnen auf dem Dathe-Platz schmückt ein Bronzerelief mit dem Fontane-Zitat 'ERST DIE FREMDE LEHRT UNS WAS WIR AN DER HEIMAT BESITZEN'. In dieser komplett gestalteten Umgebung hat die Künstlerin Karin Rosenberg ihr öffentliches Kunstwerk 'Zugunruhe' installiert. Es besteht aus 27 zweiseitig bedruckten Schildern, die an allen vorhandenen Laternenmasten angebracht sind sowie einem Dathe-Pavillon inmitten der Promenade.

Auf der Vorderseite zeigt jedes Schild einen in Deutschland nistenden Zugvogel, etwa Feldlerche, Blässgans, Singdrossel, Nachtigall oder Weißstorch. Rückseitig befindet sich Sätze, die Informationen aus dem Bereich der Verhaltensforschung von Zugvögeln bieten. … Je nachdem in welcher Richtung man läuft entsteht ein unterschiedlicher visueller Eindruck - entweder man sieht die Vögel oder die Texte.

Mit dem Dathe-Pavillon wollte die Künstlerin ein lebendiges Forum schaffen, hier kann man verweilen, die in den Schaufenstern ausgestellten Fotos, Bücher oder Objekte betrachten. …Von außen hat sie der Graffiti-Künstler EMESS mit Schablonen-Graffitis ('Stencils') besprayt. …..Die Bespielung des Pavillons wird in den kommenden 5 Jahren organisatorisch vom Förderverein des Tierparks betreut und auch finanziert. Es sollen Wechselausstellung stattfinden, die über Dathe und den Tierpark informieren.

Mit 'Zugunruhe' hat Karin Rosenberg ein klar kalkuliertes Kunstwerk entwickelt, das von den Einwohnern der Großsiedlung in hohem Maße angenommen wird, bietet es doch mit Bezug auf den geschätzten Heinrich Dathe und den Tierpark zahlreiche Erinnerungs- und Bildungswerte. Zugleich reagiert die Arbeit in Form und Thematik subtil unterschwellig auf eine mittlerweile kaum noch unterschwellig vorgetragene Xenophobie innerhalb der Bevölkerung, denn sie zeigt am konkreten Beispiel des Vogelzugs, dass der Heimatbegriff, so wie er etwa im Fontane-Zitat am Brunnen erscheint, ein zutiefst nationalistischer und ideologischer ist, der hinterfragt und angesichts weltweiter Flucht und Migration revidiert gehört. Heimat - folgt man dem Philosophen Ernst Bloch oder dem Leben der Zugvögel - lässt sich prozessual denken, nämlich als Existenz in einem Multiversum, als Leben in zwei (Zugvögel) oder mehr Welten - und als Versuch etwas Gemeinschaftliches zu schaffen, das zur Heimat wird. Bloch schrieb 1959 in 'Prinzip Hoffnung': 'Die vergesellschaftete Menschheit im Bund mit einer ihr vermittelten Natur ist der Umbau der Welt zur Heimat.' Gegenüber einem national-rückwartsgewandten Heimatbegriff erscheint Blochs Begriff offen und utopisch. Die Welt ist selber noch nicht zuhause. Heimat, so Ernst Bloch, ist erst zu erreichen 'ohne Entfremdung und in realer Demokratie'. In 'Erbschaft unserer Zeit', seinem 1935 im Exil erschienen Hauptwerk, macht er plausibel, dass eine Gesellschaft, die das Spannungsverhältnis zwischen Heimat und Fremde mittels eindeutiger Bestimmung zu einer Seite hin aufzulösen versucht, den Geschichtsprozess leugnet. Da die Wirklichkeit ihren Vorstellungen nicht entspricht, tendiert eine solche Gesellschaft dazu, an falschen Heilsversprechungen festzuhalten, was sich in einem gegenüber der realen gesellschaftlichen Entwicklung rückwärtsgewandten Bewusstseinszustand kenntlich macht. Galt dies für die DDR und ihrem antiquierten Heimatbegriff, so scheint man auch noch heute mit dem Begriff Schwierigkeiten zu haben.

Karin Rosenberg beabsichtigte neben den Vogel-Schildern und dem Dathe-Pavillon ein drittes Element zu implementieren - ein Textband im Boden des Dathe-Platzes, gegenüber vom Fontane-Brunnen. Hier sollten aus der Bloch-Sentenz die folgenden Worte in Versalien stehen: VOM UMBAU DER WELT ZUR HEIMAT. Mit solch anregendem Denkanstoss wollten sich die Bezirksverordneten jedoch nicht anfreunden und untersagten die Realisierung des Textbandes.“

Quelle: Peter Funken in: Kunstforum International, Bd. 193, 2008

Organisatorischer Rahmen, Eigentümer

Geladener Wettbewerb 2007 zur Neugestaltung der Heinrich-Dathe-Promenade in Berlin-Lichtenberg,

ausgelobt durch das Bezirksamt Lichtenberg von Berlin im Rahmen von „Stadtumbau Ost“.

Kooperationen

Schilder: Fa. Technigro, 15370 Petershagen

Raumeinheit: Fa. Absperrtechnik24, 21075 Hamburg

Diskussion

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